Ein Künstler im Schnittpunkt der Moderne - Leopold Museum würdigt den Bildhauer Josef Pillhofer

Ein Künstler im Schnittpunkt der Moderne - Leopold Museum würdigt den Bildhauer Josef Pillhofer

Einblick in die Ausstellung "Josef Pillhofer im Dialog mit Cézanne, Giacometti, Picasso, Rodin ..." im Leopold Museum anlässlich der Ausstellungseröffnung am Donnerstag, 17.06.2021

Das Leopold Museum würdigt Josef Pillhofer (1921–2010), einen der bedeutendsten österreichischen Bildhauer und Zeichner, anlässlich seines 100. Geburtstages mit einer umfassenden Retrospektive. Anhand von mehr als 180 Exponaten wird sein Schaffen in einen Dialog mit ausgewählten Werken von Protagonisten der Skulptur der Moderne gesetzt wie Edgar Degas, Auguste Rodin, Aristide Maillol, Wilhelm Lehmbruck, Henri Laurens, Alberto Giacometti, Joannis Avramidis oder Fritz Wotruba. Das Œuvre von Josef Pillhofer erstreckt sich über sechs Jahrzehnte und berücksichtigt vormoderne Pionierleistungen ebenso wie die Errungenschaften der Avantgarde. In Folge einer eingehenden Auseinandersetzung mit dem Werk internationaler Vorbilder gelang dem Künstler die Entwicklung einer eigenständigen Formensprache auf dem Weg zur Abstraktion.

Pariser Begegnungen

Als Student Fritz Wotrubas an der Wiener Akademie der bildenden Künste erhielt Josef Pillhofer 1950 ein Staatsstipendium und übersiedelte nach Paris. Er arbeitete im Atelier des kubistischen Bildhauers Ossip Zadkine an der Académie de la Grande Chaumière und ließ sich von verschiedenen Ausformungen des Kubismus inspirieren. Pillhofer begegnete Größen der Bildhauerkunst wie Jacques Lipchitz, Alexander Archipenko oder Henri Laurens, tauschte sich mit Bildhauern und Plastikern wie Constantin Brâncuși oder Alberto Giacometti aus, den er auch in seinem Atelier besuchen konnte. Anregungen fand der Künstler auch in Museen wie dem Louvre, den er 1951 mit Fritz Wotruba besichtigte oder bei Galerie- und Atelierbesuchen mit Freund*innen über die er auch Paul Celan und Ingeborg Bachmann kennenlernte.

„Die intensive Reflexion der Kunstgeschichte und die Pariser Begegnungen mit den Großen seiner Zeit führten Pillhofer zur Entwicklung einer autonomen Formensprache, die ihn zum ersten gegenstandslosen Plastiker Österreichs avancieren ließ. Gleichzeitig entfernte er sich in seiner Auseinandersetzung mit abstrakten Konzepten nie von der Arbeit nach der Natur. In dieser Gegensätzlichkeit liegt nicht zuletzt auch der Grund für sein äußerst variables und spannungsreiches Formenvokabular, sodass man beim Studium seines stilpluralistischen Œuvres immer wieder aufs Neue überrascht wird.“

Hans-Peter Wipplinger, Kurator

Bereits 1949 hatte Josef Pillhofer in Wien den Bildhauer Joannis Avramidis kennengelernt, dem er ein Leben lang freundschaftlich verbunden blieb. 1954 und 1956 vertrat er Österreich bei der Biennale in Venedig. 1952 trat er der Künstlervereinigung Art Club bei und wurde 1955 Mitglied der Wiener Secession. In der Wohnung von Josef und Waltraut Pillhofer verkehrten Herbert Boeckl, Maria Lassnig, Arnulf Rainer, Josef Mikl oder Fritz Wotruba.

Die Ausstellung – Das Œuvre Josef Pillhofers. Ein Schaffen von großer Bandbreite

Zum Auftakt zeigt die Ausstellung Josef Pillhofer auf großformatigen Fotografien als schaffenden Bildhauer, der mit dem Meißel den Stein bearbeitet und gibt interessante Einblicke in die Ateliers des Künstlers. Skulpturen zeigen die Bandbreite seines Werkes, von der Nussholz-Doppelfigur Liebespaar (1965) bis zu der zum Spätwerk zählenden Raumarchitektur (um 2000) aus Aluminium. Die Schau führt thematisch durch die Schwerpunkte im Schaffen des Künstlers, zeigt anhand ausgewählter Werke die Inspiration durch Paul Cézanne, die Vorreiter der modernen Skulptur Auguste Rodin und Medardo Rosso, Expressionisten wie Wilhelm Lehmbruck oder Alexander Archipenko und Kubisten wie Ossip Zadkine und Pablo Picasso.

Einfluss der Antike

Das Interesse für die griechisch-römische Antike, im Besonderen die etruskische Kunst, wurde 1957 während eines Stipendienaufenthaltes in Rom geweckt. Einflüsse der Kunst des Altertums zeigen sich in Pillhofers Bestreben nach archaisierender Vereinfachung. Das Unvollendete, Verwitterte und Fragmentarische ist im Schaffen Pillhofers vielfach präsent, beispielsweise in dem an ein archäologisches Fundstück erinnernden Römischen Kopf (1960) oder der Karyatide (1962) aus Lindenholz, ebenso die Bezüge zur Antike, etwa in der Bronzeskulptur Anaxagoras (1970), die den Namen eines griechischen Philosophen trägt, in der Zeichnung eines westgriechischen Tempels in Sizilien (1983) oder in der sich kubistisch-vereinfachender Formen bedienender, nach einem assyrischen König benannten, blockartigen Sandsteinskulptur Assurbanipal (1990-98).

Ideale Proportionen

Die Begegnung von Pillhofers Bronze Badender(1981), Maillols Flore (1909/10) und Cézannes Baigneurs (1890-90) in der Ausstellung zeigt generationenübergreifende Affinitäten der Künstler in Bezug auf die Begeisterung für klassische Themen und Formen, verbunden mit der Suche nach idealer Proportion und moderner Reduktion.

Lebendiger Ausdruck

Die Vitalisierung des Ausdrucks durch die bewegte Modellierung der Oberflächen, die bei Rodin ihren Anfang nahm, wurde von Künstlern wie Medardo Rosso, Edgar Degas und Alberto Giacometti intensiviert. Das Aufbrechen des glatten, geschlossenen Erscheinungsbildes ermöglichte eine Verlebendigung der menschlichen Gestalt, eine Dynamisierung der Oberfläche. Gegenüberstellungen von Rossos Knabenkopf Ecce Puer (1906), Giacomettis Buste de Diego (1955) und Pillhofers Köpfen wie etwa das Porträt Sir Karl Popper (1995/96) zeigen vielfältige Varianten zum Thema der lebendigen Oberflächenbehandlung.

Pluralismus der Skulptur der Moderne

Den Pluralismus der Kunstströmungen innerhalb der Bildhauerei der Moderne zeigt eine beeindruckende Skulpturen-Installation in der Pillhofers Danseuses (1951-54) u.a. auf Henri Laurens La mère, Zadkines Formes Féminines (1922) und Jacques Lipchitz‘ Baigneuse (1917) treffen.

Die Schau zeigt die Beschäftigung Pillhofers mit dem Kubismus, stellt seinen Runden Kopf (1958) einem Asymmetrischen Kopf (1962-65) seines Künstlerfreundes Joannis Avramidis gegenüber und bettet auch Pablo Picassos kubistisches Gemälde Le corsage orange – Dora Maar (1940) in die Inszenierung ein. Pillhofers Untersuchungen zu den Themen Bewegung und Tanz werden dargelegt, etwa in der Reliefserie Der Tanz (1980-82), die Suche nach der Form, so etwa Pillhofers Einformen, die klare Bezüge zu Objekten Constantin Brâncuși aufweisen.

In das Wesen der Landschaft eindringen

Die Zeichnung spielt im Werk Pillhofers eine autonome weit über das Skizzenhafte hinausgehende Rolle. So wie Cézanne war Pillhofer nicht an der gesehenen Wirklichkeit interessiert, gemäß seinem Ziel: „Ich möchte in einem umfassenden Sinn in das Wesen der Landschaft eindringen.“ Landschaftszeichnungen wie etwa die Felsformation (1996) können als Untersuchungen räumlicher Gegebenheiten betrachtet werden. Die Wahrnehmung des Künstlers fokussierte auf Kraftlinien eines großen Ganzen – einer Berglandschaft oder einer Stadtarchitektur. Seine Bildaussagen sind auf das Wesentliche reduziert, verdichten sich durch Weglassungen, überzeugen durch Klarheit und Stringenz.

Raumarchitekturen

Außergewöhnlich im Schaffen von Josef Pillhofer sind auch seine konstruktivistischen, geometrisierenden und maßvoll austarierten Kompositionen aus Blech, die er Raumarchitekturen nannte. Diese „Raumkonzepte“ variierte Pillhofer immer wieder. Aus den Blechskulpturen mit Modellcharakter wurden regelrechte Architekturen, die in abgewandelter Weise in großformatigen Skulpturen der frühen 1990er-Jahre wiederkehrten, wie etwa Orkan in Manhattan (1996). Pillhofers letzte Großskulptur, zugleich auch seine spektakulärste Arbeit, realisierte er 2008 für das Museum Liaunig in Kärnten: Die Raumentfaltung aus Stahl mit fast sechs Metern Höhe und neun Metern Breite. In diesem beeindruckenden Monument verlieh Pillhofer der Materialstärke geistige Kraft und gab der Abstraktion eine poetische und sinnliche Gestalt

Aussstellungseröffnung 

Zur – pandemiebedingt – vergleichsweise kleinen ersten Eröffnung nach dem Lockdown begrüßte Leopold Museum-Direktor Hans-Peter Wipplinger die Tochter Josef Pillhofers und Leihgeberin Susanna Tabaka-Pillhofer und ihren Mann Jan Tabaka, sowie die Söhne des Künstlers Markus Pillhofer und Ulrich Pillhofer. Leopold Museum Vorstandsvorsitzenden Josef Ostermayer, Elisabeth Leopold (Vorstand Leopold Museum), Freunde des Leopold Museum-Präsident Hans Raumauf (Vienna Insurance Group), die Künstler*innen Regina Götz, Michael Kienzer, Lukas Pusch, Giovanni Rindler und Werner Würtinger, Michael Duscher (GF NÖ Werbung) und Katrin Duscher (OMV Kommunikation), Waltraud Leopold, Saskia Leopold (CMS Reich-Rohrwig Hainz), die Leihgeber*innen Julia Avramidis, Helmut Klewan und Peter Liaunig (Museum Liaunig), Kurator Günther Holler-Schuster (Neue Galerie Graz), die Galerist*innen Dagmar Chobot, Christa Zetter, Katherina Zetter und Eberhard Kohlbacher (Wienerroither & Kohlbacher), Fotoexpertin Monika Faber, Historiker Siegwald Ganglmair, u.a.

Quelle: Leopold Museum-Privatstiftung Mag. Klaus Pokorny und Veronika Werkner, BA Presse/Public Relations / ots  //  Fotocredit: Leopold Museum, Wien/Markus Hall

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