Zum 150. Jubiläum der Wiener Weltausstellung - Frauenarbeit sichtbar machen

Zum 150. Jubiläum der Wiener Weltausstellung - Frauenarbeit sichtbar machen

v.l.n.r.: Ursula Plassnik (Österreichische Regierungskommissärin für Expo 2025 Osaka); BM Susanne Raab (Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt); Peter Aufreiter (Generaldirektor Technisches Museum Wien); Martina Griesser-Stermscheg (Kuratorische Leitung der Ausstellung); Karin Skarek (Wirtschaftliche Geschäftsführerin Technisches Museum Wien)

Anlässlich des 150-jährigen Jubiläums der Wiener Weltausstellung beleuchtet das Technische Museum Wien einen bisher wenig beachteten Aspekt des historischen Großereignisses: Denn mit der erstmaligen Errichtung eines „Frauenpavillons“, in dem Frauenarbeiten präsentiert wurden, schrieb die Wiener Weltausstellung 1873 Geschichte. Der damals völlig neue Ausstellungstyp fand fortan internationale Nachahmung und leistete Pionierarbeit im Sichtbarmachen der weiblichen Arbeitswelt. Diese Tradition hält sich bis heute — zuletzt auf der Expo 2020 in Dubai, demnächst in Osaka 2025. Den roten Faden von 1873 bis in die Gegenwart bildet der Ruf nach Gleichstellung von Mädchen und Frauen in Bildung, Arbeit und Familie.

Die Jubiläumsschau „Women at Work – 150 Jahre Frauenpavillon der Wiener Weltausstellung“ wurde am 2. Mai 2023 gemeinsam mit Susanne Raab, Bundesministerin für Frauen, Integration, Familie und Jugend im Bundeskanzleramt, TMW-Generaldirektor Peter Aufreiter, Ursula Plassnik, Österreichische Regierungskommissärin für die EXPO 2025 Osaka und der Kuratorischen Leitung Martina Griesser-Stermscheg feierlich eröffnet.

Erster Frauenpavillon 1873: Frauenarbeiten vor und hinter dem Vorhang
Zur Durchführung der Ausstellung im „Pavillon für Frauen-Arbeiten“ formierte sich in Wien 1872 eine „leitende Central-Commission“. Sie setzte sich aus 20 Männern und 32 Frauen aus Adelskreisen und dem liberalen Bildungsbürgertum zusammen. Viele der beteiligten Frauen engagierten sich ehrenamtlich im Wiener Frauen-Erwerb-Verein und waren Vorkämpferinnen für das Recht auf Ausbildung und Berufsvorbildung für Frauen.

Der Ausstellungsbereich „Nationale Hausindustrie“ überraschte vielleicht weniger – zeigte er doch traditionell weiblich konnotierte (textile) Handarbeiten. Die konzeptionelle Entscheidung zum Bereich „Frauen-Arbeit in der Grossindustrie“ jedoch war aufsehenerregend, denn zum ersten Mal wurden auch weibliche Erwerbsarten in den unterbürgerlichen Schichten thematisiert. Für die Mehrheit der bürgerlichen BesucherInnen war Frauenarbeit in der Industrie damals etwas völlig Unbekanntes und so erfuhren sie erstmals mehr über den Alltag von Arbeiterinnen in unterschiedlichsten Produktionszweigen wie Landwirtschaft, Leder-, Kautschuk-, Metall-, Holz-, Stein-, Glas- und Papierindustrie, Nahrungs- und Genussmittelerzeugung, chemische Industrie, Maschinenwesen sowie Kommunikation und Bauwesen. So diente der Frauenpavillon auch der Vermittlung und Vernetzung innerhalb der Frauenschaft und förderte das Verständnis für die Arbeitsbedingungen und Bedürfnisse von Mädchen und Frauen aller Schichten.

Feministische Bewegung oder wirtschaftliche Notwendigkeit?
Die Vorbereitungszeit zur Wiener Weltausstellung stand im Zeichen von Wirtschaftswachstum und dem Erstarken liberaler Kräfte, das Jahr 1873 jedoch war von einem Börsenkrach, wirtschaftlicher Depression und steigender Arbeitslosigkeit geprägt. Vor diesem Hintergrund waren die Zielsetzungen des Frauenpavillons weniger feministisch, sondern vielmehr wirtschaftlich motiviert. Denn die meisten Frauen hatten damals keinen Zugang zu einer Schul- oder Fachausbildung und arbeiteten daher meist als schlecht bezahlte Arbeitskräfte unter katastrophalen Bedingungen in Fabriken. Der zunehmende Einsatz von weiblichen Arbeitskräften wurde von Industriellen begrüßt, waren doch die Lohnkosten erheblich geringer.

Durch die im Frauenpavillon gebotene Aufmerksamkeit und Plattform erfuhren aber auch die damals noch jungen Frauenbewegungen einen Aufschwung, insbesondere im Kampf um Chancengleichheit bei Bildung und Entlohnung. Dennoch: Die Forderung nach gleichberechtigen Arbeits- und Erwerbsmöglichkeiten – ob nun humanistisch oder wirtschaftlich begründet – hat leider nach wie vor wenig an Aktualität eingebüßt.

Nachhaltige Perspektiven verbinden Historie und Aktualität
Die hybride Jubiläumsausstellung des Technischen Museums Wien zeigt einzigartige Dokumente, die in dieser Form nur hier erhalten sind, und untersucht damit die Bedeutung und Auswirkungen des ersten Frauenpavillons auf der Wiener Weltausstellung 1873. Mit zahlreichen Originalobjekten, Archivalien, Fotos gewährt die Ausstellung Einblicke in die damalige Arbeits- und Lebensrealität von Frauen und beleuchtet die Aktivitäten und Initiativen rund um den Frauenpavillon und deren Folgen. Anhand von 1873 ausstellenden Unternehmen wird in einer filmischen Dokumentation der Filmwerkstatt außerdem den wirtschaftlichen und sozialen Kontinuitäten von Frauenarbeit nachgegangen. Gleichzeitig eröffnet eine multimediale Online-Ausstellung, die mit rund 1.000 Digitalisaten zur weiteren Vertiefung einlädt. Sie dient gleichermaßen als Online-Ausstellung sowie als Forschungsplattform und bleibt dauerhaft zugänglich.

Außerdem werden begleitend zur Sonderausstellung innovative Vermittlungsformate angeboten, die sich speziell an Mädchen* und Frauen* richten. Gefördert aus den Mitteln des Bundeskanzleramtes werden dabei einerseits stereotype Geschlechterrollen in der Berufswelt reflektiert und durchbrochen, andererseits auch spezielle Workshops angeboten, die zu einem offenen und lockeren Zugang zu MINT-Themen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) ermuntern.

Die Jubiläumsschau ist vom 3. Mai bis 2. Juli 2023 im Festsaal des Technischen Museums Wien zu sehen und wird von einer umfangreichen Online-Ausstellung mit hochaufgelösten Digitalisaten der Originaldokumente begleitet, die dauerhaft abrufbar sein wird.

Frauenministerin Susanne Raab
Wir feiern heuer 150 Jahre Wiener Weltausstellung und damit auch die erstmalige Errichtung des Frauenpavillons, der Frauen in der Arbeitswelt sichtbar gemacht hat – einem Thema, dem damals wenig Beachtung geschenkt wurde und das bis heute nicht an Aktualität verloren hat. Jedes Mädchen und jede Frau muss in ihrem Berufsleben dieselben Chancen und gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit vorfinden. Ich setze darüber hinaus einen Schwerpunkt auf das Empowerment von Mädchen und Frauen – auch um sie zu ermutigen, Karrierewege abseits von Rollenklischees einzuschlagen, z. B. mit der Role Model-Initiative von LEA. Danke an das Technische Museum für diese wunderbare Ausstellung zur Sichtbarmachung von Frauen!

Ursula Plassnik, Regierungskommissärin Österreichs für die Expo 2025 Osaka
Die Wiener Weltausstellung von 1873 hat die Tradition der Frauenpavillons bei Weltausstellungen begründet. Erstmals bekamen Frauen die Möglichkeit, bei einer internationalen Großveranstaltung als eigene Gruppe wahrgenommen zu werden und aufzutreten. Sie konnten nunmehr selbst ihre Arbeitsbedingungen, aber auch ihre Leistungen und Forderungen darstellen. Seitdem dienen Weltausstellungen als interessante Plattform, um das Bewusstsein für die Position der Frauen in unseren Gesellschaften zu schärfen. Auch bei der nächsten Expo, die 2025 in Osaka, Japan stattfinden wird, wird es einen Frauenpavillon geben. So wird ein weiterer Scheinwerfer auf die Zukunftsmacht Frau im Weltdorf gerichtet.

TMW-Generaldirektor Peter Aufreiter
Mit der Jubiläumsschau „Women at Work“ wollen wir nicht nur ein weniger bekanntes Kapitel der Wiener Weltausstellung ins wohlverdiente Rampenlicht rücken, es geht uns auch darum, die nachhaltigen und noch heute nachhallenden Auswirkungen aufzuzeigen. Heute stehen wir vor anderen, aber ähnlich großen Umbrüchen in der Wirtschafts- und Arbeitswelt wie vor 150 Jahren. Gleichzeitig sind viele Forderungen der damaligen Zeit auch heute noch erschreckend aktuell. Was können wir also aus diesem Blick in die Vergangenheit für unsere heutigen Herausforderungen lernen?
 

Quelle: Technisches Museum Wien Madeleine Pillwatsch / ots  //  Fotocredit: © Technisches Museum/APA-Fotoservice/Reither

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